Ein Artikel von
Lena Gierl

Experteninterview mit einer Osteopathin und Heilpraktikerin 

Wir haben der Osteopathin und Heilpraktikerin Elfriede Campbell ein paar Fragen rund um die Osteopathie für Babys und Schwangere gestellt.

Elfriede Campbell hat fünf Jahre lang Osteopathie an der Osteopathie Schule Deutschland (OSD) in Hamburg studiert und mit dem Master abgeschlossen. Auf den Master hat sie ihre kinderosteopathische Ausbildung drauf gesetzt. Das Leistungsspektrum, das sie seit Ende 2010 in ihrer Praxis in der Reichenbergerstraße in Dingolfing-Landau anbietet, reicht von klassischer Osteopathie für Kinder und Erwachsene, einschließlich Ernährungsberatung, bis hin zu kinesiologischen Tests und Kineso-Taping. Das Ziel ihrer Behandlungen ist immer der ganzheitliche Ansatz, das heißt die Einbeziehung von Lebensstil, Ernährung, Spielverhalten, Sport, Bildung und vielen anderen Faktoren.

Liebe Elfriede, wann sollte man denn mit seinem Baby zum Osteopathen gehen?

Ich empfehle fast immer nach der Geburt zu einem Osteopathen zum Rundum-Check zu gehen – sowohl für das Baby, als auch für die Mama. Eine Geburt ist eine anstrengende Arbeit für den Körper. Dabei können immer wieder mal Störungen auftreten. Wenn man die drei bis vier Wochen nach der Geburt gleich beseitigt bevor sie sich manifestieren, dann hat die Mama auch kein Problem mehr beim Stillen oder beim Kind tragen etcetera. Dabei können die Osteopathen natürlich frisch gebackenen Mamas immer gute Tipps geben in Bezug auf das Stillen oder das Handling mit dem Baby. Denn vor allem wenn man das erste Kind bekommt, fühlt man sich oft noch sehr unsicher und stellt sich Fragen wie: “Mache ich das alles richtig?” oder  “Tue ich meinem Kind damit weh?” Meist wird das Handling von den Hebammen zwar gezeigt, aber eben nicht immer – und manchmal geht es schlicht und ergreifend unter. Natürlich kann es auch sein, dass man als Mama mit den ganzen Tipps und Dingen, die die Hebamme einem erklärt, erst einmal überfordert ist und gar nicht alle aufnehmen kann.  Deshalb frage ich jede meiner Kundinnen: “Ist Euch das Handling gezeigt worden, wie zum Beispiel das Aufnehmen des Babys?” Circa 50 Prozent haben das aus irgendeinem Grund nämlich nicht erfahren. 

Was kann alles schief gehen, wenn man das Handling nicht richtig beherrscht?

In den ersten Monaten nimmt man ein Kind auf, indem man es auf die Seite dreht, sodass der Hals sich über den Trapezmuskel (musculus trapezius) selber stabilisiert und sich entwickeln kann. Denn auch wenn man die Hand unter den Nacken legt, gibt es automatisch immer einen kurzen Moment beim Aufnehmen und beim Ablegen, in dem der Kopf des Kindes nicht stabilisiert ist. Dieser kurze Moment reicht durch die Empfindlichkeit, die die Babys noch von der Geburt haben, aus, dass Kinder dann aufwachen. Was dabei ausgelöst wird, nennt sich Moro-Reaktion (=Schreckreaktion). Dabei wird Adrenalin freigesetzt, was natürlich genau das Gegenteil von Schlafen verursacht. Vermeiden kann man dies, indem man das Baby seitlich dreht und das Baby sich über den Trapezius Muskel selbst stabilisieren kann. Denn mit jeder seitlichen Drehung hat man eine physiologische Bewegung in der Wirbelsäule, welche das Kind verinnerlicht. Dies erleichtert den Kindern später das eigenständige zur Seite drehen und danach auch das Krabbeln.

Doch auch das seitliche Drehen sollte man richtig machen, sonst bekommt man ein sogenanntes “Dreherkind”. Man dreht das Baby nämlich nicht über den Oberkörper, sondern über das Bein. Wir drehen im Bett ja auch zuerst unsere Beine, indem wir eins über das andere legen. Damit hat das Baby zusätzlich die Arme frei, dass es sich, wann immer es dazu bereit ist, schon selbst abstützen kann. Irgendwann kommt es dadurch dann auch in die Mini-Liegestützposition. Wenn die Babys dann ein bisschen größer sind, kann man sie einfach an den Finger greifen lassen und mit einem einzigen Finger umdrehen. Dann kommt es mit der Schulter und nimmt selbst das Becken mit.

Wenn das Kind größer wird, geht es natürlich weiter und man stellt sich Fragen wie: “Wie kommt mein Kind denn zum Sitzen, wie kommt es zum Krabbeln, wie ist der Transfer vom Krabbeln zum Sitzen?” Ein Kind muss nämlich erst den Vierfüßlerstand beherrschen bevor es sich überhaupt zurückschieben kann in die Sitzposition. Deswegen wird auch immer gesagt, dass man ein Kind nicht hinsetzen soll! Viele Eltern behaupten: “Mein Kind sitzt aber gerne.” Klar sitzt ein Kind gerne, aber die Wirbelsäule ist noch nicht genügend gepolstert und somit hinterlässt es Schäden, wenn man die Kinder hinsetzt bevor sie das selber machen! Ein Baby hat keinen “komplett fertigen Rücken”, sondern vier Knochenkerne, die mit Knorpeln verbunden sind, weshalb ein Babyrücken noch sehr flexibel ist und sich erst festigen muss. 

Gibt es noch etwas, auf das man gleich nach der Geburt achten sollte?

Was manchen Eltern oder auch Hebammen nicht auffällt, beziehungsweise für normal gehalten wird, ist die Diagnose “Schreikind”

Als Schreibaby gilt ein Baby, das täglich mehr als drei Stunden an mindestens drei Tagen der Woche über mehr als drei Wochen aus unerklärlichen Gründen schreit und sich kaum beruhigen lässt.

Ein Schreikind ist ganz klar ein Kind, das ein Problem kommunizieren will. Ein Kind hat drei Kommunikationsmöglichkeiten: es kann schlafen, es kann trinken und es kann schreien. Und jegliche Weise durch die sich Babys ausdrücken, hat einen Grund. Es gibt keine bösen Kinder und es gibt auch keine aggressiven Babys, sondern lediglich Kinder und Babys, die ein Problem haben und darauf aufmerksam machen wollen.

Mal abgesehen vom Kind: sollte eine schwangere Frau eigentlich auch mal zur Kontrolle zu einem Osteopathen gehen?

Ja, sobald irgendwelche Beschwerden, wie Fußbeschwerden, Schulterbeschwerden oder Rückenbeschwerden auftreten. Wir behandeln sogar sehr viele Schwangere, weil werdende Mütter oft mehr Vertrauen in Osteopathen haben als in physiotherapeutische Hände. Zum Beispiel bei akuten Rückenschmerzen, die noch nicht von Wehen ausgelöst worden sind, sondern ein Alltagsproblem des Rückens darstellen. Dies kann man aber auch in der Schwangerschaft sehr gut behandeln. Denn weil das Baby so weich ist, ist es einerseits zwar sehr anfällig aber andererseits auch sehr offen für Veränderungen des Mutterleibs. Das heißt, wenn die Mama einen Rücken hat, bei dem das Bindegewebe schon sehr weich ist, kann der Wirbel auch leicht wieder dort hingeschoben werden, wo er hingehört - ohne große Anstrengung. In solchen Fällen arbeitet man dann auch gerne mit Tapes.

Sollten Mamas nach der Entbindung auch nachschauen lassen?

Wenn es nach der Entbindung zu irgendwelchen Beschwerden, wie zum Beispiel Schulter- oder Nackenbeschwerden vom Stillen kommt: Definitiv! Eine Patientin hatte ich, bei der ist durch die PDA (=Periduralanästhesie) die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) ausgelaufen und kurzzeitig nur noch in geringen Maßen vorhanden gewesen. Das hat bei der Frau vorübergehend eine Blindheit und Schwindelanfälle ausgelöst. Auch das kann man aber gut behandeln. 

Allgemein kann ich aber sagen, dass ich kein Fan von PDAs bin, denn Statistiken zeigen hier, dass durch den Durchstoß des Gewebes mehr Bandscheibenvorfälle auftreten als ohne PDA. Letzten Endes geht die auch auf das Baby über, denn diese Kinder müssen sich sozusagen oft selbst auf die Welt bringen, weil die Mama nicht mehr wirklich anwesend ist. Deshalb führen ganz viele PDAs zu Kaiserschnitten, weil die Kontraktionen nicht mehr konzentriert und aus eigenem Willen stattfinden können.

Hat so eine Geburt mit PDA dann auch eine Auswirkung auf das Heranwachsen des Kindes?

Es hat davon eine Charakterprägung. Einerseits hat man die Genetik und andererseits die Epigenetik und diese entwickelt sich schon während der Schwangerschaft. Der Verlauf der Geburt hat darauf dann einen ganz gravierenden Einfluss – genauso wie die ersten drei Lebensjahre. Die Prägung der Epigenetik steigt während der Schwangerschaft immer weiter an und ein sehr prägendes Erlebnis ist die Geburt. In den drei Folgejahren prägt sich aber auch noch sehr viel vom Charakter. Es gibt Kinder, die eine schwierige Geburt geschafft haben und sich auch danach noch die Eigenschaft behalten: “Wenn es mal schwierig im Leben wird, dann setz ich mich durch.” Es gibt aber auch Kinder, die einen Kaiserschnitt gebraucht haben und dann eher die Einstellung haben: „Ich habe versagt, ich schaffe es sowieso nicht allein”.

Was mich noch interessieren würde, wenn du Patienten behandelst, sind die meisten eher Selbstzahler oder haben die zum Beispiel eine Zusatzversicherung?

Die meisten sind tatsächlich Selbstzahler.

Wissen die denn Bescheid, dass es überhaupt die Möglichkeit einer Zusatzversicherung geben würde?

Ich muss ehrlich sagen, ich weise immer darauf hin. Ich sage immer ehrlich, dass ich eine für meine Kinder abgeschlossen habe und diese auch zu Genüge nutze. Deshalb kann ich so etwas nur empfehlen. Dann kommen oft die Nachfragen: “Welche Versicherung denn?”, worauf ich antworte, dass sich die Eltern da bitte selber drum kümmern müssen. Am Besten wäre es einen freien Versicherungsvermittler um Rat zu fragen.

Und GANZ WICHTIG ist: Beim Vertrag auf das Kleingedruckten zu achten. Die Osteopathie darf NICHT ausgeschlossen sein!

Denn nur wenige brauchen wirklich nur einen Heilpraktiker und nur dafür rentiert es sich wirklich nicht. Bei mir kommen grundsätzlich alle Patienten zur osteopathischen Behandlung, weil die Heilkunde in die Osteopathie mit einfließt und damit eine ganzheitliche Heilmethode ist. Ich habe keine Speisekarte, bei der man sich seine Wunschbehandlungen aussucht, sondern ich schaue mir den Menschen als Ganzes an und ziehe dann aus meinem Erfahrungsschatz Schlüsse, wie ich dieser Person am besten helfen kann. Von Akupunktur über Tapen über Moral-Therapie oder homöopathische Unterstützung kann alles vorkommen.

Welche Leistungen werden denn überhaupt bezahlt? Liegt das an der jeweiligen Versicherung?

Ja, manchmal schon. Jede Versicherung ist da ein bisschen eigen. Bei den Zusatzversicherungen haben dieses Problem die Wenigsten, aber bei privat Versicherten merkt man es öfter. Und wenn Zusatzversicherungen nachfragen, dann tatsächlich meist eher die Großen. Die legen dann zum Beispiel fest, dass nur jede Ziffer (die für eine Behandlung steht) einmal auf der Rechnung auftreten darf. Die Allianz wiederum bezahlt Finger und Zehen nicht. Wieder andere zahlen viszerale Therapien (betreffen die Eingeweide) nicht. Die Begründung dafür ist, dass sie keine Belege haben. Aber ich kann auch nicht einfach einen Bereich weglassen. Die Osteopathie besteht nun mal aus drei Hauptzweigen, die man aber nicht trennen kann:

  • parietale Osteopathie (Bewegunsapparat)
  • viszerale Osteopathie (innere Organe)
  • kraniosakrale Osteopathie (Beweglichkeit der Schädelknochen, Hirn- und Rückenmarkshäute, Nervensystem, Kreuzbein)

Es gibt Osteopathen, die zum Beispiel nur die kraniosakrale Osteopathie anbieten. Aber ich finde, wenn ich schon Osteopathin bin, dann kann ich nicht sagen: “Ich will nur dies oder jenes machen”. Da muss ich mir schon den ganzen Körper anschauen und nicht nur den Bauch oder den Atlas. Um ganz ehrlich zu sein, so etwas würde ich als Versicherung nicht einmal bezahlen. Das ist Scharlatanerie. Es hängt nämlich so vieles im Körper zusammen. Wenn ein Kind beispielsweise Plattfüße hat, hat das meist mit dem Kiefer zu tun. In solchen Fällen bin ich auch so frei und überweise die Leute zu einem Orthopäden, wenn ich sehe, dass Einlagen notwendig wären. 

Nach welcher Gebührenordnung rechnest Du denn eigentlich ab, Elfriede?

Die Abrechnung erfolgt nach der GebüH (Gebührenordnung für Heilpraktiker). Die Osteopathie ist im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht enthalten. Private Krankenversicherungen und private Zusatzversicherungen übernehmen die Behandlungskosten ganz oder teilweise.

Info zur GebüH

Der Beruf als Heilpraktiker gehört zu den freien Berufen nach dem § 18 EStG. Die Gebührenordnung für Heilpraktiker ist keine verbindliche Gebührenordnung. Die aufgeführten Gebühren sind statistische Durchschnittswerte. Diese Gebühren wurden bereits vor etwa 20 Jahren durch eine Umfrage ermittelt. Aus kartellrechtlichen Gründen konnten diese Zahlen seither nicht mehr angepasst werden, sodass die Preis- und Kostensteigerungen, die in diesen 20 Jahren stattgefunden haben, nicht berücksichtigt wurden. Infolgedessen mussten die Heilpraktiker viele einzelne Artikel an die aktuelle Preissituation anpassen und unterschiedliche Tarife anwenden.

Die Honorare von Heilpraktikern unterliegen ebenfalls einer freien Vereinbarung zwischen Ihnen und Ihrem Heilpraktiker. Die Gebührenordnung kann in verschiedenen Bereichen als Ausgangspunkt verwendet werden. Weder Heilpraktiker noch private Krankenversicherungen und Hilfsorganisationen sind an die Gebührenordnung gebunden. Dasselbe wird von diesen Kostenträgern sehr unterschiedlich berücksichtigt. Um Missverständnisse zu vermeiden, muss die Frage der Gebühren und eventueller Zusatzkosten vor Beginn der Behandlung eindeutig geklärt werden. Viele Praktiker der alternativen Medizin stimmen schriftlich über die Gebühren und Zusatzkosten überein.

Hast Du Tipps für werdende oder junge Eltern bei der Auswahl einer Osteopathiepraxis?

Es sollte unbedingt eine abgeschlossene, nachweisbare Kinderosteopathieausbildung vorliegen. In Frankreich und soweit ich weiß auch in Belgien darf man keine Kind unter 13 Jahren behandeln, wenn man keine spezielle Ausbildung dafür hat. Diese Art von Ausbildung ist natürlich eine Zusatzausbildung. Man hat also mit den fünf Jahren Studium die Grundausbildung und setzt dann eine kinderosteopathische Ausbildung drauf. Es gibt sehr viel schmalspurosteopathische Zusatzausbildungen, die relativ schnell abgeschlossen werden. Aber ich kann nur sagen: Ein Zeitfaktor ist auch ein Lernfaktor. Man kann in drei Wochen nicht das lernen, was man eigentlich in zwei Jahren lernt, das geht nicht. Da fehlt auch einfach die Vielfalt. Man kann auf zwei Wochenenden nicht die Menge an Informationen mitnehmen, die man in zwei Jahren mitnimmt. Ich zum Beispiel habe die Masterausbildung an der Osteopathie Schule Deutschland (OSD) in Hamburg gemacht. Die wurde von Torsten Liem gegründet und geleitet. Torsten Liem hat erstens total viele Bücher geschrieben und zweitens hat er ein wahnsinniges Talent, dass er immer Dozenten an Land zieht, die weltbekannt sind. Serge Paoletti zum Beispiel, der das erste Faszienbuch geschrieben hat. Oder Jean-Pierre Barral und Viola Freeman, die mittlerweile im Alter von über 100 Jahren leider verstorben ist. Aber diese Menschen hatte ich noch als Dozenten. 

Was machst Du denn im Bereich der Heilpraktikerleistungen für Kinder in Deiner Praxis?

Hierbei sind mein Steckenpferd unter anderem die Nahrungsverträglichkeitstests, zum Beispiel durch Stuhlproben, die ich vom Labor bekomme. Die werte ich aus und ergänze Nährstoffe, die dem Kind fehlen oder teile den Eltern mit, welche Nahrungsmittel sie meiden sollten. Außerdem arbeite ich viel mit Akupunktur, aber immer verbunden mit der Osteotherapie. Denn falls Störungen sichtbar sind, dann möchte ich die komplett beseitigt haben.

Man kann auch fühlen, ob an verschiedenen Bereich des Körpers eher eine Leere, eine Kälte, eine Fülle oder eine Wärme zu spüren ist.

Erst kürzlich habe ich eine Dame mit Kinderwunsch in Behandlung gehabt. Deren Schwangerwerden steht theoretisch nichts im Wege, aber als ich den unteren Beckenbereich angefasst habe, war der ganz kalt. Das bedeutet, dass da keine Vitalität vorhanden ist. Und wenn die Vitalität fehlt, kann kein Leben entstehen. Ich bin sehr gespannt bald wieder von der Patientin zu hören.

Kann man da denn etwas helfen?

Ja, in diesem Fall muss man viel mit der Psyche arbeiten. Letztes Jahr hatte ich eine Patientin, die drei Jahre versucht hat, schwanger zu werden. Sie war periodenarm und hatte kein Glück. Nach der Behandlung hat es drei Tage gedauert und sie hatte einen Eisprung. Ob das an der Behandlung lag, das kann man in solch einem Fall nie zu 100 Prozent sagen, aber es hat auf jeden Fall endlich geklappt.

Vielen Dank für das nette Interview, liebe Elfriede!