Ein Artikel von
Cornelia Diedrichs

Die Lungenreifespritze bei drohender Frühgeburt (vor 37+0) 

Als Schwangere ist man stets sehr um eine drohende Frühgeburt besorgt – also auch um eine Lungenreifespritze? Jede Frau wünscht sich, dass das Baby so lange es geht im Mutterleib bleibt, um alle Zeit der Welt zu haben in Ruhe zu wachsen. Erst ab einer Geburt nach 37+0 spricht man von reif geborenen Babys, deren Entwicklung komplett abgeschlossen ist. Als ich schwanger wurde, musste ich mich direkt mit dem Thema Frühgeburt befassen, denn die Wahrscheinlichkeit für eine solche liegt bei Zwillingen bei 45%.

Allgemeine Risikofaktoren für eine Frühgeburt

  • Zwillings-Schwangerschaften (intensivere Kontrolle insbesondere in der 2. Schwangerschaftshälfte notwendig)
  • Genetische Veranlagung
  • Vorangegangene Frühgeburt
  • Bestimmte Infektionen, wie: Harnwegsinfekt, Vaginalinfektionen, Parodontose
  • Krankheiten der Mutter, wie Diabetes und Bluthochdruck
  • Fehlbildungen der Gebärmutter
  • Zu kurzer Gebärmutterhals
  • Lifestyle-Faktoren wie: Stress, Rauchen, falsche Ernährung
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Weitere Risikofaktoren für Frühgeburten findet Ihr in diesem Video

Die Zervixinsuffizienz

Durch das erhöhte Gewicht der Kinder litt ich frühzeitig an einer Zervixinsuffizienz (Muttermundschwäche/Gebärmutterhalsschwäche). Die Babys drückten nach unten und mein Gebärmutterhals (Zervix) wurde immer kürzer und der Muttermund drohte sich zu öffnen. Trotz strikter Bettruhe verkürzte sich der Gebärmutterhals immer weiter und ich kam ins Krankenhaus. Dort wurde mir ein Pessar eingesetzt, das den Muttermund unterstützte geschlossen zu bleiben. „Und als nächstes bekommen Sie jetzt die Lungenreifespritze“, sprach der Arzt als er das Zimmer verließ.

Die Lungenreifung

Die Lungenreifespritze

Als Lungenreifung bezeichnet man den Vorgang des Heranwachsens der Lungen des Babys im Mutterleib. Nur wenn die funktionelle Entwicklung der Lungen abgeschlossen sind, kann das Kind nach der Geburt atmen. Erst um die 35. Schwangerschaftswoche herum gilt die Lungenreife als erreicht. Bei Babys ab der 26. Schwangerschaftswoche bis zur 33. Schwangerschaftswoche werden bei drohender Frühgeburt zwei Lungenreifespritzen mit einem Abstand von 24 Stunden verabreicht. Bei Kindern vor der 22. Schwangerschaftswoche kommt sie nie zum Einsatz, denn das Baby muss überhaupt erst in der Lage sein, Lungenbläschen zu bilden und zu entfalten.

Wie wirkt die Lungenreifespritze?

Die Lungenreifespritze enthält Glucocoticoide und Schilddrüsenhormone, die die Reifung und die Bildung von Surfactant unterstützen. Surfactant ist eine oberflächliche Substanz, die für die Entfaltung der Lungenbläschen von entscheidender Bedeutung ist. Mit unreifer Lunge droht dem Frühgeborenem das Ersticken.

Vorteile der Lungenreifespritze

Der wichtigste Vorteil: Die Überlebenschancen des Frühgeborenen werden verbessert. Das Risiko für Atemwegskomplikationen bei der Geburt und auch danach werden gesenkt. Gleichfalls wird das Risiko für eine Hirnblutung und für eine schwere Darmerkrankung gesenkt.

Nachteile der Lungenreifespritze

Eine Studie von 2013 bringt die Lungenreifespritze mit späteren mentalen Auffälligkeiten und ADHS in Verbindung. Eine kurzzeitige Nebenwirkung für Mutter und Kind soll einer anderen Studie nach allerdings nicht bestehen.

Meine Erfahrung mit der Lungenreifespritze

Ich war ca. in der 28. Schwangerschaftswoche als mir die Spritze verabreicht wurde. Was mir am meisten in Erinnerung blieb waren die beiden Krankenschwestern, die mich verrückt machten bevor sie mir die Spritze setzten. „Es wird weh tun, aber wir sind bei Ihnen. Sie können meine Hand so doll drücken wie sie wollen. Das ist halt sehr unangenehm, aber Sie wissen ja wofür sie das auf sich nehmen. Sie müssen nun ganz tapfer sein.“ So sprachen die beiden in einer Tour und ich fragte mich die ganze Zeit was für ein Horror da nun auf mich zukommen würde.

Ist die Lungenreifespritze schmerzhaft?

Als ich die 30 cm lange Spritze sah, bekam auch ich langsam ein wenig Angst. Sie sollte mir in den Muskel über dem Beckenkamm gespritzt werden. Ich legte mich auf die Seite und wartete auf den Schmerz. Die Schwester kniete neben mir und sprach mir Mut zu und redete unablässig auf mich ein. Und ich wartete und wartete und wartete auf den Schmerz…. der nicht kam.

Ich merkte nur einen leichten Druck, aber keinerlei Schmerz. Wirklich absolut gar keinen Funken von Schmerzen. Das teilte ich den Damen auch mit und erntete ein „Respekt“ dafür. Ich weiß bis heute nicht wofür Respekt, denn ich verspürte wirklich nichts. Auch den Tag darauf, als mir die zweite Spritze in die andere Seite gesetzt wurde, verspürte ich keinen Schmerz.

Nebenwirkungen der Lungenreifespritze

Doch dafür hatte ich Nebenwirkungen. Um 2 Uhr nachts erwachte ich. Ich war unruhig, innerlich gehetzt und totmüde zugleich. Mein Gesicht war knallrot und brannte. Es fühlte sich an als habe ich einen Sonnenbrand. Auch mein Oberkörper zeigte eine deutliche rote Verfärbung. Irgendwie fand ich trotzdem wieder in einen sehr verschwitzten Schlaf. Das Schwitzen und die roten Verfärbungen blieben mir noch zwei weitere Tage erhalten.

Diabetes und Frühgeburt

Das Messen meines Zuckerwertes verursachte mir am Morgen dann allerdings einen Schock. Ich hielt Rücksprache mit meinem Diabetologen und passte meine Insulinmenge entsprechend an. Die Inhaltsstoffe der Lungenreifespritze senken nämlich die Wirkung von Insulin auf den Blutzuckerspiegel. Dabei musste ich allerdings sehr vorsichtig sein, denn ab dem dritten Tag geht die Wirkung des Insulins wieder hoch und dann muss man weniger spritzen, um nicht zu unterzuckern.

Lungenreifespritze – gut oder schlecht?

Unter’m Strich überwiegen die Vorteile der Lungenreifespritze bei drohender Frühgeburt gegenüber den Nachteilen. Ich war nach der Gabe beruhigter. Sie nahm mir ein wenig die Angst um meine Babys. Als es dann bei 33+4 zur Frühgeburt kam, bedurften beide nur minimale Unterstützung für den ersten Schrei. So steht es im Geburtsbericht, denn ich hörte ihren ersten Schrei nicht, da ich in Vollnarkose lag. Doch davon berichte ich ein anderes Mal.