Starke Blutungen in der Schwangerschaft
„Die Plazenta löst sich, wir müssen sofort einen Kaiserschnitt durchführen!“
Dies war die Aussage des Oberarztes der Gynäkologie am Tag von Harry und Megans Hochzeit, die ich mir so gern anschauen wollte. Aber so sollte es nicht kommen.
Dieser 19. Mai 2018 war ganz anders als geplant und sollte unser aller Leben vollkommen auf den Kopf stellen.
Ich lag schon seit der 17. SSW wegen starken Blutungen, frühzeitigen Wehen und anderen Beschwerden in Bezug auf meine 3. Schwangerschaft im Krankenhaus. Jetzt endlich bei SSW 25+6 wurde es Realität, dass mein Kind eine reelle Überlebenschance hat. Ich war mir aber sicher, dass wir sicherlich noch die ein oder andere Woche aushalten würden.
Meine Mutter, die sich liebevoll um meine beiden älteren Söhne kümmerte, besuchte uns natürlich regelmäßig. Sie konnte sich den Spaß - mir 2 alkoholfreie Piccolo zu bringen - nicht verkneifen.
„Wer eine royale Hochzeit schauen möchte, muss schließlich auch dabei feiern.“
Ja, ich hatte mir fest vorgenommen zum ersten Mal in meinem Leben eine live übertragende royale Hochzeit zu schauen. Denn sonst gab ich auf diesen ganzen Promi Hochzeiten Pressekram nicht viel. Aber ich hatte Zeit, viel Zeit.
Um 10 Uhr lag ich also auf einem Einzelzimmer, auf der Entbindungsstation. Ich war mit Süßem und Piccolo versorgt, lag in meinem Bett und wartete darauf, dass es spannend wurde. Das wurde es auch kurze Zeit später. Denn ich merkte plötzlich, wie etwas zwischen meinen Beinen auslief: Flüssigkeit.
Die Geburt ging los
Ich stand auf und meine komplette Jogginghose verfärbte sich am Bein - rot.
Ich blutete wieder stark und setzte mich sofort aufs Bett, klingelte nach der Schwester.
Diese nahm mich nicht sehr ernst- bis ich die Decke wegzog und sie sah, was ich meinte mit „starker Blutung“. Danach ging alles sehr schnell. Ich kam in den Kreissaal und lag dort blutend, während ich auf den Arzt wartete. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf und ich schrieb heimlich meinem Mann, meiner Mutter und meiner Schwester, dass ich vermutete, dass es das mit der Schwangerschaft nun war. Ja, ich war sehr nüchtern und war mir dort schon sicher, dass dies nach zwei Bluttransfusionen vorher schon, jetzt zu viel „des Guten“ war.
Der Oberarzt kam und das Ultraschallgerät direkt mit ihm. Zu meiner Erleichterung war meine Mutter mittlerweile auch schon da. Sie stand neben mir, hielt meine Hand und der Arzt machte einen Ultraschall. Das nasse, glitschige Gel tropfte auf meinem Bauch. Er hielt den Schallkopf für gefühlt fünf Sekunden auf meinen Bauch, bis er sagte: „Die Plazenta löst sich. Wir müssen sofort einen Kaiserschnitt durchführen.“
Puh... ich versuchte ruhig zu bleiben und rief noch von diesem Raum meinen Mann an. Ich berichtete ihm, dass er nicht zu schnell fahren sollte, aber dass unsere geholt wird - jetzt sofort.
Frau und Tochter während der Geburt in Lebensgefahr
Er war auf dem Heimweg von Antwerpen und mitten in Belgien erfuhr er jetzt, dass seine Frau und Tochter unmittelbar in Lebensgefahr sind. Und er konnte nichts weiter machen, als zu versuchen, sicher und schnell hier her zu gelangen.
Ich wurde vorbereitet: Zugang legen, Katheter legen und eine Flüssigkeit trinken, die das Übergeben bei der Narkose verhindert. Denn an eine PDA war leider nicht zu denken. Es musste schnell gehen - wirklich schnell. Also bekam ich eine Vollnarkose. Meine größte Angst wird Wirklichkeit und meine Tochter wird viel zu früh auf die Welt geholt. Ich kann sie nicht einmal sehen, hören oder einfach bei ihr sein. Aber ich bin doch ihre Mutter!
Dann ging es schon los, mit OP Hemdchen bekleidet, musste ich in den völlig kalten und vollen Op Raum. Es schien mir, als würden tausend hektische Menschen umher laufen, mit mir reden, oder irgendwas vorbereiten. Der Oberarzt kam nochmal zu mir und sagte, dass es jetzt schnell gehen wird und er alles was möglich ist für uns macht. Der Anästhesist begrüßte mich kurz und sagte dann schon, dass wir sofort starten würden. Er drückte mir eine Maske aufs Gesicht und ich sollte tief atmen. Aber vor lauter Panik, Angst und Ungewissheit bekam ich kaum Luft.
Als der Oberarzt noch fragte: „Können wir starten?“ und darauf nur die Antwort „noch nicht ganz“ bekam, geriet ich innerlich in Panik.
Dann ging es aber schnell und ich schlief weg. Von der eigentlichen OP habe ich nichts mehr mitbekommen.
Lebt mein Kind?
Ich wurde im Aufwachraum des Kreissaales wach und hatte Schmerzen - nicht nur körperliche Schmerzen von der schweren OP, sondern auch innerliche. Ich wusste nicht, ob meine Tochter lebte, wie es gelaufen ist und überhaupt, wie alles weiter ginge.
Ich lag in diesem Bett, weinte, jammerte und war nicht Herr / Frau meiner Sinne.
Die Schwester gab mir noch einige Schmerzmittel. Denn ich bekam einen sogenannten "T-Schnitt", um meine Tochter möglichst schonend und schnell entbinden zu können, wie ich später erfuhr.
Meine Mutter war die ganze Zeit an meiner Seite und übergab mir zwei kleine Sofortbildfotos von meiner Tochter.
So klein, so zart, intubiert und in einer Folie.
Ich hatte Angst von Minute eins an und es hörte nicht auf.
Dann kam eine Kinderkrankenschwester und teilte mir mit, wie es unserer Tochter, unserer Leni, ging. Sie war stark und kräftig und toll entwickelt für diese Schwangerschaftswoche. Aber für den Transport ins Kinderkrankenhaus wurde sie sicherheitshalber intubiert.
Die Kinderkrankenschwester erklärte mir alles - auch wie es dann weiter gehen sollte und ich danke ihr noch heute dafür.
Im Anschluss kam meine Tochter im Transportinkubator kurz in mein Zimmer, da sie stabil war, durfte ich sie kurz sehen und ich war sprachlos.
Sie war so klein mit ihren 860 Gramm Geburtsgewicht und doch schon so eine starke, beeindruckende Kämpferin. Ich war so dankbar, dass sie die Geburt überlebte.
"Ich kann keine Kinder mehr auf natürlichem Wege entbinden"
Wenig später kam auch der Oberarzt und erklärte mir genau, wie die Geburt ablief. Er teilte mir direkt mit, das ich durch den getätigten T-Schnitt keine Kinder mehr auf natürlichem Wege entbinden könnte. Dies war, auch wenn wir mit 3 Kindern eigentlich zufrieden waren, ein Schlag in die Magengrube. So etwas endgültiges zu hören, tat weh.
Nicht nur, dass die Schwangerschaft und die Geburt bei unserer Tochter nun völlig anders waren, so hatte ich immer eine Hoffnung auf Hausgeburt. Doch diese sollte mir verwehrt bleiben.
Kurze Zeit spät kam mein Mann an und es war ihm ins Gesicht geschrieben, wie schwer ihm das alles viel.
Nach einer kurzen Begrüßung schickte ich ihn auf die Frühchenstation, denn er sollte sehen, wie es unserer Tochter ging. Ich konnte noch nicht aufstehen.
Erst später erzählte er mir, dass er wahnsinnige Angst hatte auf die Neo-Intensivstation zu gehen, da er innerlich immer mit dem Tod unserer Tochter rechnete. Wie sollte er mir dann erklären, dass unsere Tochter, unser 3. gemeinsames Wunschkind, nicht mehr lebte?
Er ging natürlich trotzdem und kam wider Erwarten mit guten Nachrichten zurück. Leni lebte! Und sie atmete sogar selbstständig unter CPAP. Dies war eine Atemhilfe, die es ihr möglich machte, leichter und einfacher zu atmen. Denn durch die Frühgeburt war die Atmung noch eine der größten Baustellen.
Das eigene Baby im Inkubator
Es wurde 17 Uhr und ich wollte endlich meine Tochter sehen. Also rief ich eine Schwester, die mir mitteilte, dass ich zu meiner Tochter darf, sobald ich alleine in den Rollstuhl steigen kann.
"Nichts leichter als das", war mein erster Gedanke - also kam der Rollstuhl. Rollend, ächzend und stöhnend wuchtete ich meinen Körper in diesen Rollstuhl und hoffte, dass mein bescheidener Kreislauf durchhielt.
Mein Mann schob mich zur Kinderklinik. Der Weg ging leider einmal durch die gesamte riesige Kliniklandschaft und dann standen wir da: vor den geschlossenen Türen der Neointensivstation und ich hatte Angst.
Die Schwestern begrüßten uns wirklich herzlich und liebevoll und zeigten uns das Zimmer von Leni.
Ihr Inkubator stand vor dem Fenster und mein Mann schob mich auf ihre rechte Seite.
Da lag sie: mit viel zu vielen Schläuchen und schlief.
Sie lebte und erst jetzt begriff ich dies so wirklich - Leni lebte!